Gastbeitrag: #Abmahnwahn

Dies ist ein Gastbeitrag einer mir bekannten Person. Twittertechnisch habe ich vieles davon schon kommentiert, aber da die Berichterstattung in .de hier mit wundervollem Victim Blaming angefangen hatte und selbst Heise erst langsam die Kurve kriegt, bringe ich das hier mal in Volltext.


Hallo zusammen,

zur Zeit läuft ein Internet-Krimi, wie ihn Deutschland noch nicht erlebt hat. Hier wird mit kreativen Ideen versucht, mittlerweile mindestens 50.000 Telekom-Kunden abzuzocken.

Wer nun denkt: was gehts mich an, ich gehe nicht auf solche Seiten, hat zu kurz gedacht, die betroffenen User waren mehrheitlich auch nicht auf den fraglichen Seiten, jedenfalls nicht freiwillig.
Die Rotlicht-Masche ist auch nur ein Versuchsballon, wie Abmahnanwalt Urmann verkündet hat, und dient wohl nur der Porto-Beschaffung für kommende Aktionen. Die Zahlungsbereitschaft der Abgemahnten ist halt höher.

Die Auswirkungen hat kowabit hier ganz gut zusammengefasst:
http://blog.kowabit.de/auswirkungen/

Technisch funktioniert das recht einfach: jemand kauft Klicks auf beliebigen Werbeplattformen, als Ziel dieser Klicks wird ein Server samt möglichst schwer zurückverfolgbarer Domain gemietet und von diesem Server eine Weiterleitung auf eine beliebige Webseite eingerichtet. Diese wird so präpariert, dass sie ‚urheberrechtlich geschütztes Material‘ des Abmahners enthält.

Simple Sache, kann jeder Web-Admin in wenigen Minuten zusammenklicken.

Der User bekommt von all dem nix mit, bestenfalls öffnet sich ein unerwünschtes Browserfenster, wird halt zugemacht.

Da der eigene Weiterleitungs-Server die IP-Adressen protokolliert, ist es nun einfach, die passenden IP-Bereiche (in diesem Fall Telekom) herauszufiltern und diese zusammen mit etwas Anwaltsgeschwurbel dem LG Köln zur Herausgabe der Adressen vorzulegen. In diesem Fall wurden von 89 Anträgen 62 durchgewunken, bei 27 hat das Gericht wohl näher hingeschaut. Jeder Antrag enthält bis zu 1000 Adressen.

Ob die Zielseite in Zukunft youtube, vimeo oder sonstwas sein wird, liegt einzig im Ermessen der Abmahnbande. Werbeseiten-Klicks werden z.B. auch von Amazon und anderen verkauft.

Eine Rechtsanwältin schreibt dazu:
http://conlegi.de/?p=3663

Die beteiligten Abmahnanwälte waschen momentan ihre Hände in Unschuld, es wird für die Staatsanwaltschaft schwierig werden, ihnen irgendwelche strafrechtlichen Verfehlungen nachzuweisen, da die IP-Beschaffung von Briefkastenfirmen mit Sitz in CH und USA erledigt wurde.

Das Problem ist nun (und weswegen ich diese Mail schreibe), dass es keine technische Möglichkeit gibt, sich gegen diese Art kreative Geldbeschaffung abzusichern.

Man könnte Weiterleitungen generell blocken (network.http.redirection-limit=0), was natürlich dazu führt, dass kaum eine Seite mehr funktionieren wird, da alle irgendwas irgendwoher nachladen. Da kein Video abgespielt werden braucht, bringt auch Flashblock nix, ebensowenig wie AdBlock.
Den verwendeten trafficholder.com kann man blocken, aber der ist jetzt eh verbrannt.

Falls ein Fall in eurem Bekanntenkreis auftaucht: nichts unterschreiben, nicht zahlen, bei Unklarheiten Fachanwalt konsultieren. Wer die UE unterschreibt, kann seinen Internetanschluss gleich abmelden, da er nicht sicherstellen kann, früher oder später wieder ‚weitergeleitet‘ zu werden, und dann wird es richtig teuer. eMails zu diesem Thema enthalten einen Virus im Anhang -> löschen.

Der technische Ablauf:
http://heise.de/-2065879
Die beteiligten Gangster:
http://www.hirntorsionen.ch/2013/12/redtube-massenabmahnugen-ein-betrugsfall-von-internationalem-ausmass-2/
Das juristische Geschwurbel:
http://www.abmahnhelfer.de/redtube-abmahnungen-abmahnhelfer-stellt-auskuenftsbeschluesse-online
Aktueller Stand:
http://www.asentanews.de/abmahnung-nutzer-von-porno-portalen-koennen-schadenersatz-einfordern-2013/
https://kosmologelei.wordpress.com/2013/12/16/wir-sind-schuld/
http://www.wsj.de/article/SB10001424052702303293604579256252616552172.html


Updates
2013-12-17
Der Guardian hat auch was
Herr Urmann ist stolz auf sein Tarnfirmennetzwerk

2013-12-19
Antwort der Telekom auf eine Anfrage eines Kunden: Pastebin
Heise: StA Köln nimmt Ermittlungen wegen falscher eidesstattlicher Versicherung auf (während die StA Regensburg weiter U+C den Rücken frei hält)

2013-12-20
Conlegi: LG Köln will Streaming-Auskunftsbeschlüsse aufheben

Anonymity vs. Deniability

Versus? Sollte das nicht immer Zusammen gehören? Nun, ich sage nein (sonst wäre der Artikel auch wertlos…), und gehe sogar soweit zu behaupten dass PD an der Stelle kontraproduktiv sein kann.

Das Konzept von Plausible Deniability ist ja, dass man im Falle eines Falles sagen kann, dass man damit nichts zu tun hat. In Richtung Kryptographie heißt das, dass mir niemand beweisen kann, dass der Datenmüll da auf Laufwerk S: meine streng geheimen Pläne zur Eroberung der Weltherrschaft sind. Die Sache ist nur: das funktioniert nicht. Zumindest nicht da wo es gebraucht wird. Dort, wo „in dubio pro reo“ noch gilt, ist das alles kein Problem. Ich sage, da ist nichts, keiner kann was anderes beweisen: Freispruch. Wunderbar, funktioniert. Aber was passiert, wenn das keinen interessiert?
Mal ein paar kleine Szenarien. Continue reading „Anonymity vs. Deniability“

Spaß an der Mediamarkt-Kasse

Ein Stück in einem Akt (und einer Szene)

An einer Kasse eines großen roten Elektronikhandels, der mit Dittsche Werbung macht.

Martok. Kassiererin.
KASSIERERIN: Guten Abend.
MARTOK: legt Packung auf den Schalter
   ‚Abend.
KASSIERERIN scannt.
   12,99€ bitte.
MARTOK nimmt seine Geldbörse aus der Tasche und legt 15€ hin
KASSIERERIN: Danke. Dürfte ich nach ihrer Postleitzahl fragen?
MARTOK: Nein.
KASSIERERIN guckt entgeistert; hält kurz in der Bewegung inne und tippt dann 0000.
   Gibt wortlos Wechselgeld und Kassenzettel.
MARTOK: (grinsend; zu sich selbst)
   Das musst du bloggen.

VORHANG.

Hiermit erledigt. Schon erstaunlich, dass man für ein wenig Daten-Sensibilität Entgeisterung erntet. Aber so sind sie, die Deutschen: alles überall verraten, und sich dann wundern wo die viele Werbung herkommt und warum eigentlich jemand meine Kreditkartendaten hat.
Naja.

cu,
Martok

Quote oder Zensur?

Über diesen Titel habe ich lange nachgedacht. Ich selber glaube fast, dass sich die Frage so gar nicht stellt. Trotzdem lasse ich den jetzt mal so stehen.

Die Tagesschau vermeldet: 14.000 Menschen demonstrieren gegen den Castor-Transport. Okay, wie immer zu niedrig, also sagen wir mal 25.000. Über 2 Minuten, jeden Tag, seit 4 Tagen. 2 Minuten, das sind über 10 Prozent der Tagesschau. Gut so, denn das Thema bewegt viele Menschen.

Aber war da nicht neulich was? Genau. Die Demonstration „Freiheit statt Angst“. Wie viele Menschen waren es da? 100.000, sagen die Veranstalter. Es gibt Schätzungen des Polizeipräsidenten von Berlin (die es wie immer nicht zur Pressestelle geschafft haben; selbige vermeldet immer einige 10% weniger), die sogar noch darüber liegen. Damals gab es Knapp 30 Sekunden Tagesschau-Zeit.

Nochmal zum mitschreiben:

  • 25.000 bekommen 4*2=8 Minuten
  • 100.000 bekommen 0.5 Minuten, einmalig.

Das macht nach Adam Riese 16 mal mehr Sendezeit für ein Viertel Menschen. Wenn man da noch reinrechnet, dass Datenschutz gerne als Nische für ‚Geeks‘ betrachtet wird, Atomkraftgegner sein aber mittlerweile zum guten Ton gehört, wird die Sache immer abstruser.

Was passiert hier also? Ich muss sagen, ich weiß es nicht. Zumindest nicht, als ich diesen Artikel angefangen habe. Nur war mal wieder die Welt schneller.

Das, was ich eigentlich schreiben wollte:

Man kann das jetzt sehen wie man will. Selbst wenn man nicht Zensur annimmt, sondern nur eine Vorauswahl der Themen nach vermutlichem Interesse: die Zahlen oben beweisen ja gerade selbst das Gegenteil. Im Grunde bleibt nur die gleiche art von Zensur durch Auslassung, die Bundeswehr im Inneren, Bundestrojaner, Vorratsdatenspeicherung und andere Machwerke versteckt hat, und gleichzeitig unfähige Bahnhofsbomber, unfähige Sauerlandterroristen und unfähige Terrorcampbesucher auf den Präsentierteller gelegt hat. Unfähige Politiker übrigens nicht.

Bis zu dem hier. Das hat spontan meine Meinung geändert. Jetzt ist der ganze Spaß durch – im Grunde alles klar jetzt. So langsam reicht es! Die Regierung hat offenbar Angst vor uns. Zu Recht, wie ich nur zu gern sagen würde. Aber vor was sollte man denn hier Angst haben? Solange uns die Franzosen keinen Unterricht geben, wie man eine Revolution macht, wird doch das nix.

:/

Martok

BGH: Der Bundestrojaner ist illegal

Ich hab es ja erst nicht geglaubt: es gibt noch Richter mit gesundem Menschenverstand. Der umstrittene „Bundestrojaner“, ein Werkzeug um ohne Wissen der Opfer die Festplatten – mit Staatssegen! – zu durchsuchen, ist genauso illegal wie die Tausenden anderen Trojaner im Netz. Siehe hier der Artikel von Heise dazu.

An sich gut – aber: das kann ein Minister natürlich nicht zulassen. Also kommt was kommen musste: es wird solange an den Gesetzen gedreht, bis sich keiner mehr wehren kann. Das hat schon bei VDS geklappt, warum nicht nochmal?

Die Gewerkschaft der Polizei verlangte, mit der neuen gesetzlichen Regelung auch die Behinderungen durch das Datenschutzrecht zu beseitigen.

Natürlich. Datenschutz muss unbedingt weg, der stört nur beim durchsuchen der verschlüsselten Festplatten der pöhsen Terroristen.
Mal gut, dass wir nichts zu verbergen haben. Anders als diese Leute, die sich gegen die Vorratsdatenspeicherung wehren. Schonmal sehr verdächtig. Da kann doch was nicht stimmen. Agent Schäuble, übernehmen sie!